Netzwerk: Halle-Neustadt
Gleich beim ersten Arbeitstreffen des neu gegründeten Schul-Kultur-Netzwerks in Halle-Neustadt waren Schülerinnen/Schülervertretungen aller Klassen anwesend und haben die „Wunschzettel“ ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler vorgestellt. Die Erwachsenen wurden somit in die Pflicht genommen, entsprechende kulturelle Bildungsangebote zu entwickeln. Durch mehrere darauffolgende Arbeitstreffen und Einzelgespräche ist es im Verlauf weniger Wochen gelungen, ein passendes Angebot für die geäußerten Wünsche zu realisieren. Möglich wurde dies durch das eng miteinander abgestimmte Zusammenwirken der Kooperationspartnerinnen und -partner, die ihre jeweiligen Potentiale und Ressourcen erstmalig zu einem gemeinsamen Angebotsspektrum zusammengeführt haben.
Ausgangspunkt des gebildeten Verbunds ist das Lernzentrum Halle-Neustadt, eine Förderschule mit dem sonderpädagogischen Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsbedarf im Lernen sowie dem Verein Kulturbühne Neustadt, der im soziokulturellen Zentrum Passage 13 in Halle Neustadt ansässig ist. Kurze Zeit später stieß mit dem Fachbereich Kultur der Stadt Halle (Saale) der kommunale Partner zum Verbund und mit ihm das Stadtmuseum sowie das Netzwerk der Museen Halle.
Das Lernzentrum Halle-Neustadt zeichnet sich strukturell durch eine große Offenheit und Bereitschaft für Kooperationen jeglicher Art aus. Da sie als Förderschule nicht primär auf das Erreichen von Fachlehrplänen angewiesen sind, wird eine große Flexibilität in der Gestaltung des Unterrichts gelebt. Der persönliche und soziale Mehrwert, den die Schülerinnen und Schüler durch Projekte erzielen, wird in dieser Schule hochgeschätzt und macht es allen Partnerinnen und Partnern angenehm, mit der Schule zu kooperieren. Der besonderen Herausforderung der Projektarbeit mit den zum Teil kognitiv stark beeinträchtigten Schülerinnen und Schülern wurde mit den entwickelten Formaten sehr überzeugend, gemeinsam und empathisch begegnet.
Die neue Zusammenarbeit im Netzwerk wird von der großen Motivation getragen, langfristig und gewinnbringend für die Kinder und Jugendlichen ausgestaltet zu werden. Die Konstellation ist eine spannende Mischung aus verschiedenen Welten. Das Stadtmuseum Halle ist als eine Instanz der Seriosität eng in die kommunalen Strukturen und Verwaltungsvorgänge eingebunden. Die Passage 13 als soziokulturelles Zentrum, geleitet durch die Kulturbühne Neustadt e.V., möchte ein lebendiges, vielfältiges, kulturelles Leben in Halle Neustadt unterstützen, vorantreiben sowie Räume öffnen, in denen Menschen jeglichen Alters und sozialen Hintergrundes Kultur erleben und selbst erschaffen können. Eine Art „junge Volkshochschule“ quasi. Sowohl das Stadtmuseum als auch die Passage 13 verfügen über ein großes Netzwerk an freien Akteurinnen und Akteuren, die sie zielgerichtet in Projekten der Kulturellen Bildung vermitteln können.
Alle Beteiligten konnten sich auf eine angestrebte Wirkung der Formate auf die Schülerinnen und Schülern einigen. So soll mit Kultureller Bildung vor allem die Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden:
- „Ich habe einen Wert.“
- „Ich kann (mein Umfeld) gestalten.“
- „Ich habe Orte, zu denen ich hingehen kann.“
- „Meine Ideen und Wünsche werden wahrgenommen.“
Auf der Umsetzungsebene bedeutet das:
- Interessenorientierte Angebote schaffen durch jährliche Befragung und Reflexion
- Auseinandersetzung anregen mit sich und dem Umfeld durch gezielte Impulse innerhalb der Projekte
- Einblicke geben in die Vielfalt der Künste durch spartenübergreifende Angebote
- Kreativität sichtbar machen durch Ausstellungen, Aufführungen, Konzerte und Öffentlichkeitsarbeit
- Neue Räume für Schülerinnen und Schüler öffnen durch Exkursionen und Lernen am anderen Ort
- Engagement belohnen durch ein Bewerbungsverfahren auf die Klassenprojekte
Die Angebote wurden so konzipiert, dass sie verschiedene Prozesse von Partizipation beinhalten, eine künstlerische Auseinandersetzung zu einem Themenfeld ermöglichen, den einzelnen Jugendlichen stärken, Perspektiven erweitern und wiederum die Schülerinnen und Schüler als Agierende im Stadtteil sichtbar werden lassen. Jedes Projekt hat die Erarbeitung eines künstlerischen Produktes zum Inhalt, das durch die Schülerinnen und Schüler mit entwickelt und gestaltet wird. Dieses ist sowohl in Stadt und Stadtteil sichtbar, als auch für andere Klassen der Schule erfahrbar. Die Klassen der jeweiligen Klassenstufen bewerben sich in einem schulinternen Auswahlprozess aktiv um die Teilnahme an Klassenprojekten bzw. einzelne Schülerinnen und Schüler auf die Teilnahme an einer AG.
Zentral für das Gelingen war die Begleitung von Melanie Peter, Kulturvermittlerin im Programm KREATIVPOTENTIALE Sachsen-Anhalt, die über Einzelgespräche zunächst eine IST-Analyse der Situation sowie die Potentiale und Bedarfe der jeweiligen Partnerinnen und Partner ermittelt hat. Auf dieser Basis konnten schnell ein gemeinsamer Visions- und Arbeitsmodus entwickelt, Fördermittel beantragt und Projekte umgesetzt, präsentiert und begleitet werden. Im Sinne einer Qualitätsentwicklung wurden gemeinsame Reflexionsrunden etabliert und das Feedback und die Wünsche der Schülerinnen und Schüler anhand eines Fragebogens ausgewertet. Diese Etappe legt den Grundstein für eine Zusammenarbeit in jedem neuen Jahr.
Der im Laufe des ersten Durchgangs entstandene „Kulturfahrplan“ soll den Weg in die Zukunft begleiten. Er dient in erster Linie dazu, die Kommunikation unter den Beteiligten zu vereinfachen, den Prozess zu strukturieren, Ziele und Maßnahmen zu definieren, Qualität zu sichern und damit auch eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Zusammenarbeit anzustoßen.
Projektbeschreibungen einzelner Formate:
Halle entdecken
Was ist eigentlich Kunst und wo kann ich sie finden? Welche Geschichten verbergen sich hinter den Werken im öffentlichen Raum? Was gefällt mir an ihnen und was weniger? Wie fotografiere ich die Kunst am besten und wie wird aus meinem Foto schließlich ein eigenes Kunstwerk?
Zahlreichen Fragen rund um das Thema Kunst, Fotografie und Stadtgeschichte können die Teilnehmenden während des Projektes auf den Grund gehen. Ob mit Handy oder Spiegelreflexkamera, bei den Fotostreifzügen durch Halle entstehen hunderte Bilder. Aus dieser Flut an Aufnahmen wählen die Jugendlichen die besten für eine digitale Nachbearbeitung aus und erstellen gemeinsam eine eigene Ausstellung. Das Projekt wird durch pädagogische Fachkräfte des Stadtmuseums begleitet und vermittelt Grundlagen der Stadtgeschichte. Dazu gehört auch der Besuch von Museen und Ausstellungen. Fachkräfte für Medienpädagogik des Vereins Kulturbühne Neustadt / Passage 13 arbeiten mit den Jugendlichen am fotografischen Ausdruck und erstellen gemeinsam mit ihnen die Ausstellungsobjekte. Diese Zusammenstellung spiegelt die Perspektive der Jugendlichen wider und arbeitet Stadtgeschichte aus ihrem Blickwinkel auf.
Theater
Wovon träumst du? Wovon träume ich? Bin ich mutig genug zu träumen? Was heißt Mut für mich?
Spannende Fragen für ein Theater-Projekt. In zwei Theater-Kompaktwochen widmen sich die Schülerinnen und Schüler gemeinsam einem gewählten Thema wie beispielsweise Träume oder Mut. Angeleitet von zwei Fachkräften für Theaterpädagogik arbeiten die Schülerinnen und Schüler biografisch zu den jeweiligen Fragen und erforschen diese körperlich. So steht in der ersten Woche das Kennenlernen theatraler Mittel, Gruppenbildung, Kooperation, gemeinsames Spiel und Szenenentwicklung im Fokus. In der zweiten Woche werden die entstandenen Szenen geübt und für eine Aufführung zusammengestellt. Im Laufe dieser Zeit tauchen die Jugendlichen in eine fantastische Welt ein und begegnen sich in einem Raum voller Bewegung. Zuletzt gilt es, die Herausforderung zu meistern, die Aufregung zu überwinden, auf der Bühne zu stehen und das fertige Theaterstück vor anderen Schulgruppen aufzuführen.
Musik und Band
Singst du gern deine Lieblingssongs mit? Hörst du gern Musik? Kannst du ein Instrument spielen? Fändest du es schön, auf der Bühne zu stehen? Oder wolltest du schon immer mal mit anderen zusammen Musik machen?
Viele Fragen und dahinter eine Idee: eine Band-AG. Verschiedene Instrumente ausprobieren, aufeinander hören, miteinander spielen und dann vor Publikum darbieten. So könnte der Lernweg der Schülerinnen und Schüler aussehen, die sich für eine Band-AG entscheiden. Dabei wird die Übungsphase eine besondere Herausforderung darstellen. Erfolgserlebnisse werden sich nicht ohne Weiteres einstellen und Durchhaltevermögen und Geduld sind gefragt. Auch das Thema Leihinstrumente ist ein zentrales Thema für dieses Format, denn alle Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit bekommen, an dieser AG teilzunehmen. Der Höhepunkt wird auf jeden Fall das Vorspielen auf dem Schulfest werden.
Stadtteil gestalten
Wo bewegt ihr euch im Stadtteil? Wo seid ihr gern? Was fehlt euch? Wer lebt hier? Wo können sich Menschen hier begegnen? Wie kann ich meinen Stadtteil selbst gestalten?
Diese Fragen können Ausgangspunkt für ein Klassenprojekt mit dem Thema „Künstlerisch engagierter Stadtteil“ für die Klassenstufen fünf und sechs werden. Ein Projekt, um Freiflächen für Kinder und Jugendliche im Stadtteil künstlerisch zu erschließen, wie z.B. mit einer Graffiti-Wand oder einem Bauspielplatz für Handwerk o.ä. Auch die Möglichkeit, mit kulturellen Mitteln Lesenachmittage in Seniorenheimen zu organisieren, damit die Schülerinnen und Schüler sozial aktiv werden, ist denkbar.
Angeleitet durch Fachkräfte für Kulturpädagogik der Passage 13 tauschen sich die Schülerinnen und Schüler im Rahmen dieses Formates über eigene Wünsche, Interessen und Möglichkeiten im Hinblick auf ihren Stadtteil aus und gehen gemeinsam als Klassenverband in die Umsetzung. Das Klassenprojekt besteht aus sechs Projekttagen sowie aus der Erarbeitung von Inhalten im Unterricht. Die erfolgreiche Projektumsetzung legt den Grundstein für die darauffolgenden Schuljahre, sodass dieses Format zu einem festen Bestandteil des erweiterten Unterrichts werden kann.
Gemeinsam Kunst machen
Wie groß kann ein Kunstwerk werden? Wie kann es eine besonders große Wirkung erzielen? Wie kann ein Kunstwerk durch möglichst viele Schülerinnen und Schüler entstehen? Ist es möglich, dass die Kunst uns miteinander verbindet?
In Absprache mit bildenden Künstlerinnen und Künstlern, dem Schülerrat, der Schulleitung und der Schulsozialarbeit wird jährlich ein künstlerisches Gemeinschaftsprojekt zur Ausgestaltung von Teilen des Schulgeländes entwickelt. Denkbar ist hierbei die Gestaltung großformatiger und farbprächtiger Sonnensegel für den Schulhof, dessen bildnerische Grundlagen in mehreren künstlerischen Workshops in der Schule entstehen. Im besten Falle ist die Umsetzung ein Gemeinschaftsprojekt, an dem die ganze Schule beteiligt ist.
Immer auf der Suche nach neuen Ideen
Was wäre, wenn wir gemeinsam etwas Unvorstellbares möglich machen könnten? Oder im ersten Schritt vielleicht auch einfach etwas ganz Wunderbares erschaffen würden?
Auf jeden Fall kreativ und innovativ. Und natürlich zusammen. Damit es immer wieder neue Ideen für weitere Projekte gibt, sind alle eingeladen, Ideen vorzuschlagen: in erster Linie weiterhin die Schülerinnen und Schüler selbst. Aber natürlich auch die Lehrkräfte, die Schulleitung, die Mitarbeitenden der Schulsozialarbeit sowie unbedingt auch die Projektpartner und Projektpartnerinnen.
Die Möglichkeiten der Vernetzung sind vielfältig. So wäre z.B. eine Kooperation mit der HS Merseburg gut geeignet, um Honorarkräften die Möglichkeit zu geben, Theater und Medienprojekte anzuregen. Vereine aus der Bildenden Kunst, die freie Theaterszene in Halle, die Hochschule Burg Giebichenstein, die Freiraumgalerie oder die Stadt Halle selbst könnten in die Ideenfindung eingebunden werden. Der Plan lautet also: Ideen sammeln, sichten, bündeln und daraus neue Formate für kreative Schul-Kultur-Netzwerke entwickeln. Also wir sind bereit!
Beteiligte Institutionen im Verbund „Halle-Neustadt“:
Lernzentrum Halle-Neustadt, Kulturbühne Neustadt e.V. (Passage 13), Stadtmuseum Halle
Weitere Beteiligte in den bisherigen Projektformaten
Fabian Krystossek, Tessa Scheffler, Emilia Arnold, Beate Krauße, Ina Panknin, Frida Germer, Lena Hoppe, Jessica Grömminger, Wiebke Kirchner, BBK Sachsen-Anhalt